Wie wir wissen, gibt es nicht „die genaue Geschichte“ der Vergangenheit. Jede Person ist Beobachter und sieht die Welt aus ihrer Sicht. Dabei spielen ganz viele Faktoren dazu, die diese Sicht beeinflussen und aus den gleichen Beobachtungen werden verschiedene Interpretationen. Auch wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte, wäre ich nur in der Lage das, was passiert ist, aus meiner eigenen Sicht zu sehen. Meine bisherigen Erfahrungen, Werten und Hoffnungen wurden eine eigene Geschichte daraus machen, die sich auf alle Fälle von der Geschichte eines anderen Beobachters unterscheiden wurde.
Es waren verschiedene Personen in der Verfassungsgeschichte des Großherzogtums involviert. Die Intensität ihrer Handlungen in der Geschichte ist unterschiedlich stark. Sie haben aus verschiedene Grunde und Umständen agiert und hatten verschiedene Perspektiven gehabt.
Als Historiker sucht man seine Schwerpunkte aus, worauf er sich fokussieren möchte. Er bleibt bei den Fakten, die zur Verfügung stehen, ist aber frei diese Fakten zu interpretieren und daraus ein Bild zu machen. Zusammenhänge sollen logisch begründet werden, aber allein die Fokussierung verlangt, dass nicht alle Fakten und mögliche Zusammenhänge behandelt werden können.
Wo liegt mein Fokus? Eine mögliche Vorgehensweise, um den Fokus zu finden, ist die Festlegung eines Protagonisten und eines Antagonisten. Wie in jedem Konflikt gibt es zwei Hauptgegner oder gegnerischen Gruppen. Im Fall der Verfassung gab es die Regierung unter Ludwig I. und die Verfassungsbewegung geführt hauptsächlich von den Anführern der Darmstädter Schwarzen. Aus dieser Gruppe stecht Karl Heinrich Hofmann hervor.
Sowohl Großherzog Ludwig I. und Karl Hofmann sind als potenzielle Protagonisten geeignet. Es gibt auch hier keine hundert Prozent richtig Antwort darauf, wer wirklich die zwei Hauptgegner waren. Weitere denkbare Konstellationen wären Minister von Grolman und Karl Hofmann oder es ist strittig, ob Karl Hofmann der wichtigste Anführer der Schwarzen war oder ob diese Rolle auf mehrere Mitglieder der Schwarzen verteilt werden kann. Jeder kann selbst entscheiden und Hinweise und Fakten suchen, um diese Entscheidung zu untermauern.
Momentan neige ich dazu Karl Heinrich Hofmann, als Protagonist zu betrachten. Der Großherzog ist als Hauptfigur mehrere wissenschaftliche Arbeiten, wenn auch nicht in der Verfassungsfrage. Ich sehe ihn aber in dieser Arbeit als Hauptgegner von Hofmann, auch wenn Minister von Grolman als Antagonist ebenfalls gut eignet.
Die Geschichte aus der Perspektive der Verfassungsbefürworter hat zwei besondere Reize. Erstens ist diese Seite weniger behandelt worden, und zweitens gerade in Zeiten wie wir jetzt durchleben ist die Hervorhebung von liberal, demokratische handelnde Personen besonders hervorzuheben.